14. – 27. September 2015, Bogotá, Kolumbien
Wie kann Theater in einer Gesellschaft Wirkung entfalten, die nach politischen Krisen und gewaltsamen Auseinandersetzungen wieder zusammenzufinden versucht? Kann es in Zeiten des Umbruchs eine neue Sprache finden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die internationale Akademie für darstellende Kunst EXPERIMENTA SUR in Kolumbien. Für zwei Wochen bietet sie Künstlern aus 13 lateinamerikanischen Ländern Raum für gemeinsame Reflexion und Zusammenarbeit. Mit Theatermachern aus Europa und Japan arbeiten sie an experimentellen Formaten.
Die von der Siemens Stiftung, dem kolumbianischen Mapa Teatro und dem Goethe-Institut Bogotá initiierte Akademie bringt in Bogotá rund 80 Künstler aus Lateinamerika zusammen. In Werkstätten, Künstler-Laboratorien, Präsentationen und Vorträgen tauschen sie sich über transdisziplinäre Arbeitsweisen aus und suchen die Verständigung über Gesellschaft nach der Krise. Das Aufführungsprogramm stellt partizipative Formate vor und betont Theater als soziales Experiment.
Eingeladen ist der japanische Regisseur Akira Takayama, der bekannt ist für seine Projekte im urbanen Raum. Seien es die soziale Situation von Jugendlichen oder Umweltthemen nach der Katastrophe von Fukushima, Takayama greift aktuelle politische Themen auf und erobert mit seinen Arbeiten Orte, an denen man Theater nicht erwartet. In Bogotá wird er gemeinsam mit kolumbianischen Künstlern ein neues Projekt im öffentlichen Raum entwickeln.
Mit Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Milieus erarbeitet die französische Künstlerin Fanny de Chaillé ihr Projekt „La Bibliothèque“ in Kolumbiens Nationalbibliothek. Unter dem Motto „If you were a book, what would be your title?“ lässt sie ein lebendiges Archiv von persönlichen Geschichten entstehen. Ihre Prämisse dabei: Jeder hat etwas Interessantes zu erzählen, das sich teilen lässt.
Den partizipativen Ansatz treiben die Künstler deufert&plischke aus Berlin auf die Spitze, wenn sie die Choreographie ihres Stücks „InsTanzen“ in Bogotá komplett in die Hände des Publikums geben. Aus einem anfänglichen Set an Bewegungsvorschlägen generiert sich die Choreographie als kollektiver Prozess.
Fragen nach der Gemeinschaft und der Existenz des Einzelnen ziehen sich durch das internationale Gastspielprogramm der Akademie, sei es im Stück „Pindorama“ der brasilianischen Choreografin Lia Rodrigues und ihrer Companhia de Danças oder in den Arbeiten des spanisch-argentinischen Autors und Regisseurs Rodrigo García. Soziale Ungerechtigkeiten und der tägliche Kampf um politische Selbstbestimmung prägen seine wütenden Texte. In Kolumbien wurden sie immer wieder inszeniert. Nun kommt er zum ersten Mal selbst nach Bogotá und zeigt seine Inszenierungen, die gerade vor dem Hintergrund der gewaltvollen Vergangenheit Kolumbiens einem Weckruf gleichen, der aufschreckt und zugleich Hoffnung verleiht.
Weitere Vorträge, Präsentationen und Laboratorien von José Antonio Sanchez, Peter Pál Pelbart, Kathrin Wildner, Roberto Uribe und Oscar Ardila tragen dazu bei, dass EXPERIMENTA SUR für Nachwuchskünstler aus Lateinamerika zu einem Raum des gemeinsamen Nachdenkens und Ausprobierens, einem Ort des Blickwechsels und der Debatten werden kann. Durch Stipendien ermöglicht das Goethe-Institut die Teilnahme von Künstlern aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Guatemala, Kuba, Mexiko, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela. Das Ministerio de Cultura de Colombia vergibt darüber hinaus Stipendien an kolumbianische Künstler.
Gemeinsam mit PANORAMA SUR in Argentinien und MOVIMIENTO SUR in Chile bildet EXPERIMENTA SUR ein Netz an jährlich stattfindenden Arbeitsplattformen für die darstellende Kunst mit dem Ziel, Austausch und Zusammenarbeit in Lateinamerika zu fördern und Impulse in die Kulturszenen zu geben.