»In Zukunft müssen Ansätze entwickelt werden, die die Fähigkeiten von mehreren Stakeholdern bündeln.«
Sauberes Trinkwasser trotz Dürre
In Kenia gibt es zwei Regenzeiten: die Regenzeit mit langen Regenfällen, die normalerweise von März bis Mai dauert, und die Zeit der kurzen Regenfälle zwischen Oktober und Dezember. Aufgrund des Klimaphänomens El Niño war 2017 die Lage besonders ernst – die langen Regenfälle blieben größtenteils aus und führten zu einer schweren Dürre. Diese Dürrephasen treten immer häufiger auf und stellen die Bevölkerung vor große Herausforderungen. Tilmann Straub, Wasserexperte der Siemens Stiftung und Geschäftsführer von WeTu berichtet, wie Techniklösungen helfen, einige der Probleme in Angriff zu nehmen.
Die erwartete Regenzeit im März ist in weiten Teilen Kenias ausgeblieben – was bedeutet das für die Menschen vor Ort?
Normalerweise beginnt die Regenzeit im März und dauert bis Mai an. Sie ist vor allem für die Bauern essentiell, die ihre Felder schon bestellt haben und immer noch vergeblich auf Regen warten. Aber auch für die Grundwasserneubildung und für die Oberflächengewässer ist die Regenzeit wichtig, um die natürlichen Wasservorräte wieder aufzufüllen. Die verheerende Dürre von 2015/2016 in Ostafrika gepaart mit anschließenden heftigen Regenfällen und Überschwemmungen war auf ein El Niño Ereignis zurückzuführen, das sich durchschnittlich alle vier Jahre wiederholt. Das Ausbleiben der Regenzeit in diesem Frühjahr zeigt allerdings, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels häufen und außerdem eine verlässliche Wetterprognose immer schwieriger wird. In anderen Regionen wie Mosambik oder Simbabwe zeigt sich das Phänomen von der anderen Seite: Dort wurde in derselben Zeit das Land durch Zyklone von riesigen Überschwemmungen heimgesucht. Beide Ereignisse, Dürre und Überschwemmung, führen zu schweren Ernteausfällen und damit steigenden Lebensmittelpreisen. Durch die Dürre entstehen außerdem Engpässe bei der Energiegewinnung durch Wasserkraft, auch die sanitäre Grundversorgung wird zunehmend schwieriger.
Welche Auswirkungen hat die Dürre auf die Wasserprojekte der Siemens Stiftung in Kenia?
Das ist stark abhängig von der Art der Wasserquelle, die wir an unseren verschiedenen Standorten nutzen. Unser kürzlich eröffneter Safe Water Enterprise Kiosk in Wath Onger im County Migori ist ein positives Beispiel. Hier haben wir uns bereits auf die Veränderung und die zunehmenden Risiken des Klimawandels einstellen können. Der Kiosk liegt am Fluss Kuja, der genug Wasser führt, um die Gemeinde durchgehend über das ganze Jahr zu versorgen.
Seit April 2019 bieten wir außerdem über unser Sozialunternehmen WeTu an vier Standorten am Viktoriasee in Westkenia eine verlässliche Wasserversorgung für die Gemeinden an, indem wir mithilfe von Rohrleitungen und Solarpumpen Rohwasser aus dem Victoriasee entnehmen und mit einer entsprechenden Filteranlage aufbereiten.
An anderen Standorten gibt es jedoch große Herausforderungen, sei es durch das Austrocknen von Dämmen während der verlängerten Trockenzeiten, durch den absinkenden Grundwasserspiegel oder durch Erdrutsche, die durch Abholzung verursacht werden und Wasserquellen verschütten. Um heute nachhaltige Projekte in der Wasserversorgung zu entwickeln, müssen wenig kalkulierbare Faktoren wie Dürre stärker berücksichtigt und durch technische Maßnahmen wie längere Zuleitungen oder größere Speicherkapazitäten ausgeglichen werden, was die Investitionskosten stark steigen lässt.
Mit WeWater bieten die vier WeTu Hubs am Viktoriasee 24/7 sauberes Trinkwasser an. Welche neue Filtertechnologie wird verwendet und wie wird das Wasser an die Kunden weitergegeben?
Da wir bei WeTu auch See- und nicht nur Regenwasser aufbereiten, mussten wir uns nach komplexeren Filtertechnologien umsehen, um eine gleichbleibende Qualität für sauberes Trinkwasser sicherstellen zu können. Die Firma SolarSpring, eine Ausgründung aus dem Fraunhofer ISE in Freiburg, hat eine Anlage entwickelt, die den Anforderungen vor Ort genau entspricht. Wir entnehmen das Wasser an einer Stelle des Sees, wo es bereits durch Sedimentierung auf natürlichem Weg etwas vorgefiltert ist. Die Anlage verarbeitet das Wasser dann in vier weiteren Stufen. Während die erste Stufe mithilfe eines Vorfilters das Wasser von Sedimenten und gröberer Fracht befreit, wird bei der zweiten Reinigungsstufe, der Ultrafiltration, das Wasser bereits vollständig von Mikroorganismen, Bakterien und Viren gereinigt, so dass es Trinkwasserqualität besitzt. Im nächsten Schritt sorgt ein Aktivkohlefilter dafür, dass anorganische Bestandteile, die für Gerüche, Farbe und Geschmack des Wassers verantwortlich sind, neutralisiert werden. Um auch Wasser produzieren zu können, wenn keine Abnahme durch den Kunden erfolgt, wird das gereinigte Wasser in einem Produktwassertank gespeichert. In einer vierten Stufe sorgt eine UV-Desinfektion dafür, dass das gespeicherte Wasser zum Zeitpunkt des Zapfens durch den Kunden absolut sicher für die Menschen ist. Diese Technologie macht eine Behandlung mit Chemie vollständig überflüssig. An Wasser-ATMs, die mit dem Wasserspeicher und der Aufbereitung verbunden sind, können die Kunden das Wasser dann zu jeder Tages- und Nachtzeit abfüllen und mit einem Chipsystem bezahlen. Dieser Chip kann wiederum bar an den WeTu Hubs oder über das mobile Bezahlsystem M-Pesa aufgeladen werden.
Was sind Herausforderungen und Maßnahmen, die Wasserexperten diskutieren, um die Wasserversorgung in Zukunft auch während Dürreperioden sicherstellen zu können?
Der absinkende Grundwasserspiegel in Ballungszentren durch die Versiegelung von Flächen sowie die exzessive Grundwassernutzung in ländlichen Gebieten tragen dazu bei, dass staatliche sowie nichtstaatliche Wasserversorger immer höhere Investitionen tätigen müssen, um eine verlässliche Versorgung aufrecht erhalten zu können. Genauso kann auch die zunehmende Versalzung von Grundwasser durch Salzwasserintrusion in küstennahe Grundwassersysteme genannt werden, die immer aufwändigere Technik wie Entsalzungsanlagen oder die Installation von großen Pumpanlagen nötig macht.
Trotz der gestiegenen Aufwände muss das Wasser für die Bevölkerung natürlich erschwinglich bleiben und kann nur bis zu einem gewissen Grad an den tatsächlichen Wartungs- und Instandhaltungsaufwand angepasst werden. Das wiederum hat zur Folge, dass sich die Investitionen auch über lange Laufzeiten nicht refinanzieren. Es wird für alle Stakeholder – seien es NGOs, kommerzielle Wasserversorger oder die öffentliche Hand – schwieriger, Wasserprojekte umzusetzen, die langfristig und nachhaltig funktionieren.
In Zukunft müssen deshalb zum einen mehr Public Private Partnership (PPP)-Ansätze entwickelt werden, durch die sich Kräfte und Kompetenzen von mehreren Stakeholdern bündeln lassen. Zum anderen muss sich die öffentliche Hand in ihrer Haushaltsplanung auf die Veränderungen einstellen, sowohl auf County- als auch auf nationaler Ebene. Nicht zuletzt muss in innovative Technologien wie energie- und wartungsarme Filtrations- und Aufbereitungsmethoden investiert und entsprechendes Personal für Betrieb und Wartung ausgebildet werden. Zur langfristigen Sicherung müssen zudem fachübergreifende Lösungen gegen Abholzung und Bodenerosion genauso wie zur Grundwasseranreicherung gefunden werden. Denkbar sind hier beispielsweise die Errichtung von Untergrunddämmen oder die Entsiegelung von Flächen.
Mai 2019