Projekt abgeschlossen | Zeitraum: 2008–2015
KIKUS – Kinder in Kulturen & Sprachen
Frühkindliche Sprachförderung
Sprachverständnis und Ausdrucksvermögen sind die Grundlage für jeden Wissenserwerb. Dies gilt auch für die MINT-Bildung, die im Fokus des Bildungsengagements der Siemens Stiftung steht. Kindern mit Migrationshintergrund bleibt der Weg des entdeckenden Lernens in diesem Bereich oft verschlossen. Sie haben häufig Probleme, dem Unterricht in der Bildungssprache zu folgen und sich selbst einzubringen. Um allen Kindern gleiche Bildungschancen zu eröffnen und die kulturelle Vielfalt zu stärken, setzt sich die Siemens Stiftung mit dem Sprachförderprogramm KIKUS für die frühe Sprachförderung von Kindern unterschiedlicher Herkunft ein.
Arbeitsgebiet:
Bildung
Region/Land:
Deutschland
Projektzeitraum:
2008–2015 (abgeschlossen)
Frühkindliche Sprachförderung
Die ersten fünf Lebensjahre sind für die Sprachentwicklung entscheidend. Basierend auf diesem Wissen entwickelte Dr. Edgardis Garlin, Vorständin vom Zentrum für kindliche Mehrsprachigkeit e.V. (zkm), das Sprachförderprogramm KIKUS (Kinder in Kulturen und Sprachen). Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren spielen und singen in der Gruppe und lernen dabei mit viel Freude eine Zweitsprache. Bereits seit 2008 unterstützte die Siemens Stiftung die Weiterentwicklung und Verbreitung des Programms und förderte Forschungsvorhaben zum Spracherwerb, darunter eine Evaluierungsstudie zu KIKUS.
Im Mittelpunkt des Programms stehen die Erlebnisse und Erfahrungen der Kinder: Mit KIKUS setzen sie sich spielerisch mit Themen wie Familie, Kleidung oder Essen auseinander. Wortschatz, Grammatik und sprachlich-soziale Handlungsmuster werden systematisch und zugleich kindgerecht vermittelt und eingeübt. Eine angeleitete Eltern-Kind-Arbeit regt die Beschäftigung mit der Erstsprache des Kindes in der Familie an. Deren Anerkennung stärkt das Selbstvertrauen der Kinder und unterstützt ihre Mehrsprachigkeit.
Die KIKUS-Methode funktioniert nicht nur, um Deutsch als Zweitsprache zu erlernen, sondern ist auch auf andere Sprachen anwendbar und international einsetzbar.
Sprachbarrieren frühzeitig abbauen
Auf die Pädagoginnen und Pädagogen kommt es an
Die kulturelle Vielfalt in den Kitas nimmt zu, ebenso der Sprachförderbedarf vieler Kinder. Dies führt zu hohen beruflichen Anforderungen für pädagogische Fachkräfte. Doch in Kitas, Kindergärten und Vorschulen mangelt es häufig an qualifiziertem Personal. Dabei sind Pädagoginnen und Pädagogen – wie internationale Studien zeigen – entscheidend für den Bildungserfolg der Kinder. Die Siemens Stiftung fördert die KIKUS-Methode, da sie Erzieher*innen und Lehrkräfte unterstützt, mit diesen Herausforderungen umzugehen. Wie die Sprachförderung mit KIKUS in der Praxis funktioniert, können interessierte Pädagoginnen und Pädagogen in den vom Zentrum für kindliche Mehrsprachigkeit durchgeführten Grund- und Aufbauseminaren erfahren.
Wirkungsmessung der Sprachfördermethode
Evaluierungsstudie des TransferZentrums für Neurowissenschaften und Lernen
Studie zur Wirkung naturwissenschaftlicher Bildung auf sprachliche Kompetenzen
Discussion Paper des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung
Im Januar 2012 veröffentlichten das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung und die Siemens Stiftung das Discussion Paper „Dem Nachwuchs eine Sprache geben – Was frühkindliche Sprachförderung leisten kann“. Darin wurden Hauptursachen für Sprachdefizite identifiziert und neun Kriterien formuliert, die für eine gelungene Sprachförderung zentral sind. Ein wesentlicher Grund für sprachliche Defizite von Kindern ist dem Discussion Paper zufolge das fehlende „Sprachbad“. Dieser tägliche Umgang mit der deutschen Sprache ist im Leben vieler Kinder keine Selbstverständlichkeit. So geht ein Drittel der nicht-deutschsprachigen Kinder in eine Kita, in der die Mehrheit der anderen Kinder ebenfalls nicht mit Deutsch als Muttersprache aufwächst. Zu den Kernelementen für eine erfolgreiche Sprachförderung gehört es folglich, das Sprachbewusstseins der Erzieherinnen und Erzieher kontinuierlich zu schärfen. Ebenso wichtig ist es, die Kinder entsprechend ihres Sprachentwicklungsstandes individuell zu fördern und ihre Erstsprache systematisch einzubeziehen.
KIKUS International: Auf jede Sprache anwendbar
Die KIKUS-Methode lässt sich weltweit einsetzen: Da der Schwerpunkt auf der Vermittlung mündlicher Sprache liegt und die Kinder mit unterschiedlichsten Materialien wie z.B. den KIKUS-Bildkarten zum Sprechen angeregt werden, ist sie leicht auf andere Sprachen, Gesellschaften und Zielgruppen übertragbar. So wird KIKUS Englisch etwa in Kindergärten und Schulen in Südafrika eingesetzt.
In Deutschland hat sich die Methode bereits in der Praxis etabliert und ist in vielen Einrichtungen fester Bestandteil des Alltags geworden. Im Mittelpunkt steht dabei nicht nur die zu lernende Zweitsprache – KIKUS bezieht in allen Bereichen die Erstsprachen der Kinder mit ein und fördert so den Dialog und den Respekt zwischen den Sprachen und Kulturen.
In Deutschland wurde KIKUS 1998 von der Sprachwissenschaftlerin Dr. Edgardis Garlin entwickelt und ist mittlerweile in vielen Kindergärten, Kitas und Vorschulen fester Bestandteil der Sprachförderarbeit. Seit 2008 kooperiert die Siemens Stiftung mit dem zkm, um die Methode weiter zu verbreiten. Insgesamt konnten bis 2015 in über 50 Fortbildungen mehr als 1.100 Pädagoginnen und Pädagogen geschult werden. Diese setzten KIKUS in ihren Einrichtungen ein und förderten damit ca. 19.000 Kinder in ihrer Sprachentwicklung. Die KIKUS-Methode wurde mit Unterstützung der Siemens Stiftung wissenschaftlich evaluiert.
Bildungschancen eröffnen und kulturelle Vielfalt stärken
In Deutschland leben mehr als 21 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Damit nimmt die kulturelle Vielfalt in Kitas und Schulen zu. In vielen Einrichtungen steigt der Anteil der Kinder, die zu Hause nicht Deutsch sprechen. Erzieher*innen sind gefordert, mehrsprachig aufwachsende Kinder systematisch in ihrer Sprachentwicklung zu unterstützen. Unzureichende Qualifizierungsangebote und der Fachkräftemangel in Kindertageseinrichtungen stehen diesen Anforderungen entgegen. Die KIKUS-Fortbildungen sind deshalb ein wichtiger Schritt, um die Sprachförderkompetenz von pädagogischen Fachkräften zu stärken – mit dem Ziel, Kindern unterschiedlicher Herkunft gleiche Bildungschancen zu eröffnen. Das zkm bietet regelmäßig Fortbildungen für Erzieher*innen und Grundschullehrkräfte an.
Seit September 2011 wird KIKUS auch in Südafrika eingesetzt: Im Rahmen der Kooperation mit dem Zentrum für kindliche Mehrsprachigkeit e.V. (zkm) engagierte sich die Siemens Stiftung in der Region Kapstadt und unterstützte dort Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung.
Sprachenvielfalt wertschätzen
Aufgrund der Sprachenvielfalt von allein elf offiziellen Amtssprachen in Südafrika ist es wichtig, Kindern bereits frühzeitig Kompetenzen in der Bildungssprache Englisch zu vermitteln. „Entscheidend ist dabei, den verschiedenen Sprachen die gleiche Wertschätzung entgegen zu bringen und somit auch den kulturellen Austausch zu fördern“, erläutert Dr. Edgardis Garlin. „Die Einbeziehung der Erstsprache ist ein zentraler Baustein der KIKUS-Methode, der in Südafrika eine besonders wichtige Rolle spielt.“
Vorteile interkultureller Zusammenarbeit nutzen
Der Bedarf an Weiterbildungsmaßnahmen für das pädagogische Fachpersonal in Südafrika ist hoch. Viele Einrichtungsträger verfügen nicht über ausreichend fachliche und finanzielle Kapazitäten für die Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern. Auch die Unterstützung von staatlichen Stellen ist begrenzt. Deshalb wurden die pädagogischen Fachkräfte in Südafrika von engagierten Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland unterstützt. Diese organisierten beispielsweise Fortbildungen in Kapstadt und Eastern Cape und führten sie mit großem Erfolg durch. Auf diesem Weg versuchten die Siemens Stiftung und das zkm, die nachhaltige Verbreitung der Methode zu sichern und die Netzwerke der Pädagoginnen und Pädagogen zu stärken.
Stimmen von Pädagoginnen und Pädagogen, die bereits mit der KIKUS-Methode arbeiten
Das Feedback ehemaliger Seminarteilnehmer*innen an Grund- und Aufbauseminaren spricht für sich: In einer 2011 von der Siemens Stiftung durchgeführten Befragung zeigten sich 75 Prozent der Pädagoginnen und Pädagogen sehr zufrieden mit dem Seminar. Die überwiegende Mehrheit konnte Erfolge durch die Anwendung der KIKUS-Methode erzielen. Die geförderten Kinder zeigen eine höhere Sprechbereitschaft und sind selbstbewusster. Dies wirkt sich auch positiv auf ihr Sozialverhalten aus.
»Das KIKUS-Grundseminar war sehr spannend und hat mir viele Anregungen für die tägliche Arbeit gegeben. In unseren Teamsitzungen an der Schule gab es viele interessierte Nachfragen und einen intensiven Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Wahrscheinlich ergibt sich bald sogar die Möglichkeit für eine eigene Sprachfördergruppe. Das war wirklich eine Fortbildung, die noch lange nachwirken wird.«
S. Meincke, Erzieherin an der Grundschule am Koppenplatz, Berlin
»Die liebevolle Verbindung von Spiel und Sprache ist eine super Methode, den Kindern mit viel Freude Sprache zu vermitteln. Es macht mir sehr viel Spaß, und auch die Kinder sind in jeder Stunde mit Begeisterung dabei. Es ist sehr schön, zu sehen, wie schnell die Kinder, schon nach kurzer Zeit Fortschritte machen. In unserer Kindertagesstätte wird die KIKUS-Methode täglich angewendet, und von den vielen ausgebildeten KIKUS-Kursleitungen werden sehr sensibel alle Sprechanlässe genutzt und unterstützt.«
Sabine Häusl, KIKUS-Kursleitung, AWO Kindertagesstätte Regenbogenland in Dachau
»Die Stärke der KIKUS-Methode ist für mich eindeutig die Einbindung der eigenen Muttersprache der KIKUS-Kurskinder. Ich habe in meiner praxisbegleitenden Ausbildung selbst erlebt, wie die Kinder richtig „aufgeblüht” sind, als sie die Möglichkeit hatten, in ihrer eigenen Muttersprache Dinge zu benennen. Die Kinder waren in diesem Moment für sich „wichtig” – man wollte ihnen nicht nur etwas beibringen, sondern auch etwas von ihnen lernen. Dies fördert, meiner Meinung nach, eindeutig die Motivation.«
Fadime Yilmaz, Elternbeirat und Hausaufgabenbetreuung Grundschule Moosburg
Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern
Ursula Gentili
ursula.gentili@siemens-stiftung.org
+49 89 540487 309