»Die Tools kann man vielfältig nutzen, zum Beispiel für die Organisationsentwicklung oder die Kommunikation.«
Stories about us: Storytelling für Sozialunternehmer*innen
Barbara Börner berät seit über 18 Jahren Sozialunternehmer und gemeinnützige Organisationen. Als stellvertretende Direktorin leitete sie die Programme der Canopus Stiftung und lehrt Social Entrepreneurship im internationalen Masterstudiengang „Environmental Governance“ der Universität Freiburg. Gemeinsam mit der Siemens Stiftung und adelphi hat sie das Programm „Stories About Us“ entwickelt, denn Geschichten haben Potenzial und sind ein echter Mehrwert für Sozialunternehmer, ihr Netzwerk zu erreichen. Barbara Börner hat mehrere Workshops hierzu in Entwicklungsländern durchgeführt. Sämtliche dabei eingesetzte Tools und Methoden wurden jetzt im gleichnamigen Handbuch veröffentlicht, das online zur Verfügung steht.
Wie kann Storytelling zur Organisationsentwicklung beitragen?
Storytelling ermöglicht uns eine andere Perspektive einzunehmen und Geschichten, die das Unternehmen betreffen, gemeinsam zu entwickeln.
Nehmen wir zum Beispiel ein typisches Start-Up, das schnell gewachsen ist. Neuen Mitarbeitern, die die Gründungsphase nicht mitbekommen haben, fällt es oft schwer nachzuvollziehen, warum die Kultur in der Organisation so ist wie sie ist. In unserem Workshop entwickelt das Team zum ersten Mal die Unternehmensgeschichte gemeinsam und erfährt, dass die Geschäftsführerin deshalb so pusht, weil es in der Gründungszeit einige Male um die Existenz des Unternehmens ging.
So wird über Geschichten oft ein Zugang zu den Emotionen der Menschen geschaffen und es kommen Dinge an die Oberfläche, die bei rein analytischer Betrachtung im Verborgenen bleiben. Das Schöne ist: Die Storytelling-Methoden funktionieren in den unterschiedlichsten Kulturen und Kontexten. Es braucht kein Business-School-Wissen oder andere besondere Fähigkeiten, denn wir alle sind mit Geschichten aufgewachsen und werden durch unsere eigene Lebensgeschichte geprägt. Wir haben alles, was wir benötigen, in uns.
Die Workshops richten sich hauptsächlich an Sozialunternehmen in Entwicklungsregionen. Sie kommen gerade aus Afrika zurück. Haben Sie vielleicht ein Beispiel dafür, was dieser Workshop bei den Teilnehmern verändert hat?
Besonders Sozialunternehmer sind oft sehr engagiert und immer im Pitch-Modus. Sie sprechen meist nur über Erfolge und darüber, wie toll sich die Organisation entwickelt und wie viele Menschen sie erreichen. Die Tools, die wir ihnen an die Hand geben, ermöglichen ihnen auch schwierige Situationen zu identifizieren, die es überall gibt. Sie merken, dass diese sie nicht unbedingt schwächer machen, im Gegenteil.
Im Rahmen unseres Workshops in Uganda hat ein Unternehmer, während er seine Unternehmensgeschichte erzählt hat, das erste Mal über den Tod seines Geschäftspartners gesprochen. Er hat gemerkt, dass er darüber reden kann und damit nicht schwach da steht. Ein Berater, der mit einem der Safe Water-Kioske in Kenia gearbeitet hat, konnte mithilfe der Storyline-Graphik einen Konflikt in seiner Community lösen. Der Wasserkiosk lief so gut, dass jeder etwas vom Kuchen abhaben wollte und darüber Streit in der Community entstand. In dem Workshop haben sich alle auf ihre Ursprünge zurückbesonnen und darauf, dass sie vor zehn Jahren den ersten Damm selber gebaut hatten. Es ging plötzlich wieder um das Wesentliche: den Kiosk dauerhaft betreiben zu können. Die intensive Beschäftigung mit der Geschichte ermöglicht somit eine andere, oft frische Perspektive auf das Thema und macht Dinge so mitteilbar.
Basierend auf den angewendeten Methoden aus den Workshops haben sie das Storytelling-Workbook konzipiert. Können sie uns ein Tool, das zur Anwendung kommt, genauer erklären? Ist das Arbeitsbuch auch dafür geeignet, dass man alleine für sich damit arbeitet?
Wir haben die Erfahrungen aus den Workshops in das Workbook einfließen lassen, damit es hands-on und pragmatisch auch wirklich für den Einzelnen umsetzbar ist. Die Tools und die jeweiligen Hintergründe dazu sind deshalb Schritt für Schritt erklärt. Die Tools von Stories About Us kann man für vielfältige Anwendungen nutzen, zum Beispiel für die Organisationsentwicklung, aber auch in der Kommunikation.
Bei Plotting Your Stories geht es darum, dass ich beim Erzählen meiner Unternehmensgeschichte je nach Kontext unterschiedliche Elemente verwende. Wenn ich mich im Rahmen von Fundraising mit einem Investor unterhalte, werde ich andere Aspekte herausnehmen, als bei einem Gespräch mit einem potenziellen Kunden. Um die jeweils passenden Elemente zu finden, muss sich der Unternehmer vom Analytischen lösen. Dies gelingt mit dem Tool Stakeholder Landscape. Ich erstelle hierbei ein Landschaftsbild mit meinen unterschiedlichen Stakeholdern. Wir sind als Sozialunternehmer Teil eines Ökosystems. In diesem Bild teilt dann beispielsweise ein breiter Fluss mit Krokodilen die Gesellschaft, oder die Investoren befinden sich auf einem hohen Berg. Durch diese Abstrahierung kann im nächsten Schritt eine Reflektion darüber stattfinden, was für eine Rolle meine unterschiedlichen Akteure haben. Dies hilft wiederum bei Plotting Your Stories: Ich lerne, den Inhalt meiner Geschichte auf die Rolle meines Zuhörers anzupassen, um den anderen Menschen zu erreichen.
November 2018